Türkei
Die dreizehntgrößte Wirtschaftleistung der Welt.
Die Wirtschaft in der Türkei erbrachte kaufkraftbedingt 2016 die dreizehntgrößte Wirtschaftleistung der Welt, hat jedoch eines der weltweit höchsten Leistungsbilanzdefizite (in Relation zum Bruttoinlandsprodukt). Moody’s stuft die Bonität der Türkei als „negativ“ ein und bewertet das Land mit dem Rating „Ba2“ (im Ramschpapierbereich). Die Inflation betrug im November 2017 12,98 %, der höchste Wert seit 2003. Zudem erreichte der Wechselkurs der Lira im November desselben Jahres zu US-Dollar und Euro zeitweise (mehrmals) den tiefsten Stand in seiner Geschichte.
Istanbul gilt als der größte Markt und Umschlagplatz der Türkei. Das von Dienstleistung beherrschte Wirtschaftsleben dominiert Börse, Großhandel, Verkehrs-, Bank-, Presse- und Verlagswesen. Es gibt mehrere Basare sowie moderne Geschäftsstraßen im westlichen Stil. Die handwerklichen und industriellen Betriebe produzieren vor allem Textilien und Nahrungsmittel. Auch der Bau von Bussen, Traktoren und Dieselmotoren ist ein bedeutender Wirtschaftszweig.
Seit dem Jahr 2000
Zwischen 2002 und 2005 wuchs die Wirtschaft jährlich mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 7,2 %. Der Export konnte sich in demselben Zeitraum mehr als verdoppeln. Die Inflation wurde 2005 mit 7,7 Prozent angegeben (in den Jahrzehnten davor erreichte sie teilweise dreistellige Werte).
2004 betrug das Haushaltsdefizit 7 %. 2005 wurden Staatsunternehmen privatisiert.
Vom Wirtschaftswachstum (2002: 7,9 % 2003: 5,9 % 2004: 9,9 % 2005: 7,6 %) profitierte nur ein Teil der Bevölkerung. Die Wirtschaftsstruktur der Türkei hat sich seit den 1990er Jahren stark gewandelt. Der dominante Agrarsektor verlor an Bedeutung, insbesondere was die Zahl der Beschäftigten angeht. Dominant wurde der Dienstleistungssektor, der derzeit ca. 60 % des BIP aufbringt. Auf die Industrie entfallen 30 % des BIP und auf die Landwirtschaft nur noch etwa 10 % des BIP.
2014 wurde die Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara–İstanbul eröffnet.
Industrie
Textilindustrie war 2004 der wichtigste Industriesektor der Türkei und die größte Exportbranche. 2004 exportierte die türkische Textilindustrie Waren im Wert von ca. 20 Mrd. $ (2003 waren es noch 15 Mrd. $). Die Türkei war der sechstgrößte Baumwollhersteller der Welt. Die Textilindustrie konzentrierte sich überwiegend um die Städte Istanbul und Bursa. Insgesamt beschäftigte sie circa 4 Millionen Menschen. Im Jahr 2006 geriet die türkische Textilindustrie in eine Krise und musste mehrere 100.000 Menschen entlassen, weil sie mit den Billiglöhnen in Ostasien nicht konkurrieren konnte.
Daneben haben die Automobilindustrie und die Elektronikbranche eine gewisse Bedeutung. 2004 wurden in der Türkei 862.000 Autos produziert, von denen 519.000 exportiert wurden. 2007 stieg die Produktion auf 1,1 Mio. Zentren der Automobilindustrie sind die Städte Bursa und Adana. 2004 betrugen die Exporte auf 10,7 Milliarden und 2005 13,7 Milliarden Dollar. In der Türkei werden viele Busse produziert. Die Hauptexportziele sind Europa und die Golfregion. Toyota, MAN, Daimler AG, Ford, Fiat und Renault haben (Stand 2005) Produktionsstandorte in der Türkei. Dazu kommen die türkischen Automobilhersteller wie Tofaş, Karsan, Temsa, BMC. Etwa 500.000 Menschen arbeiten in dieser Branche. Gründe für das Interesse ausländischer Automobilkonzerne an der Türkei sind niedrige Löhne bei hoher Qualität, Marktwachstum und die geostrategische Lage.
2005 wurde ein Drittel aller in Europa verkauften Fernseher in der Türkei produziert. Im Jahr 2012 betrug das Produktionsvolumen der türkischen Elektroindustrie 12,5 Milliarden Dollar nach 9,5 Milliarden 2009, Waren im Wert von 16,1 Milliarden Dollar wurden importiert (2009: 12,2) und im Wert von 6,8 Milliarden exportiert (2009: 4,9). Unternehmen wie die Robert Bosch GmbH und Sony hatten 2004 Produktionsstandorte in der Türkei und fertigten Haushaltsgeräte. Die Nahrungsmittelindustrie konzentriert sich auf Westanatolien.
Landwirtschaft
Etwa ein Drittel der Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Die Türkei gilt als Weltmarktführer beim Anbau von Haselnüssen. Wichtig sind zudem Baumwolle, Tabak und Oliven. Seit 1980 gewinnt der Weinbau wieder an Bedeutung.
Das gigantische Südostanatolien-Projekts soll die landwirtschaftliche Nutzung eines Gebietes der Größe der Benelux-Länder ermöglichen.
Tourismus
Die Türkei ist die weltweit sechstgrößte Tourismusdestination. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftssektor der Türkei und gilt als eine ihrer größten Devisenquellen. 2008 erreichte die Zahl der ausländischen Touristen mit 26,3 Mio. Urlaubern einen neuen Rekordstand (2004 waren es noch etwa 17,2 Mio.). Die größte nationale Gruppe unter den Türkei-Touristen stellten mit ca. 4,4 Millionen Deutsche gefolgt von Russen (2,8 Mio) und Briten (2,2 Mio). Touristische Zentren sind die südliche Ägäis-Küste und die „türkische Riviera“ zwischen Antalya und Kap Anamur. 2008 erzielte die Türkei mit dem Tourismus Einnahmen von ca. 21 Milliarden Dollar und 2007 18,5 Milliarden Dollar. Durchschnittlich gaben die ausländischen Touristen 800 $ pro Kopf aus.
Der türkische Tourismus steuerte im Jahr 2015 noch 13 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. In den ersten neun Monaten des Jahres 2016 ging die Zahl der ausländischen Touristen um ein Drittel zurück. Viele Hotelbetreiber mussten unter dem Eindruck von Terroranschlägen und dem autokratischen Gebaren von Präsident Erdogan seit dem Putschversuch vom Juli 2016 Konkurs anmelden. Die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus gingen von 24,9 Milliarden US-Dollar (Januar bis September 2015) auf 17,3 Milliarden Dollar (Januar bis September 2016) zurück.
Das halbstaatliche Unternehmen Turkish Airlines (THY), mit 60 Millionen Fluggästen die zehntgrößte Fluggesellschaft der Welt, verbuchte im 1. Halbjahr 2016 einen Verlust von 647 Millionen Dollar.
2017 stieg die Zahl ausländischer Urlauber im Vergleich zu 2016 wieder an.
Bankwesen
2001 deckten Wirtschaftsprüfer Ungereimtheiten bei vielen Privatbanken auf. Dieser Wirtschaftsskandal war damals eine der Ursachen für die schwere Wirtschaftskrise. Daraufhin wurden viele Banken unter die staatliche Kontrolle gebracht und nach der Sanierung privatisiert. Die größten Banken des Landes sind die staatliche Ziraat Bank und die privaten Banken Türkiye İş Bankası und Akbank.
Bergbau
In der Türkei werden Chrom, Steinkohle, Braunkohle, Eisen und in geringeren Mengen Blei, Zink, Gold, Kupfer und Silber gefördert. 2004 wurden Produkte im Wert von ca. 1,08 Milliarden $ exportiert. Mit dem neuen Bergbaugesetzen und neuen privaten Abbaugebieten rechnet die Regierung 2006 mit einem Exportvolumen von 2 Milliarden $. Die Türkei ist in Besitz der weltgrößten Reserven von Bor.
Energie
Den Großteil der Energie bezieht die Türkei über Importe von Gas und Öl. Der Anteil der Stromproduktion aus Erdgas ist seit 1990 massiv angestiegen und stellte 2012 mehr als 40 % dar. Hauptlieferanten sind der Iran und Russland. Seit Februar 2003 wird über die Gaspipeline Blauer Strom Erdgas aus Russland in die Türkei geliefert. Es gibt Pläne, diese Pipeline bis zu den südeuropäischen Staaten zu verlängern. Ungefähr 20 % der Energieproduktion wird durch Wasserkraftwerke produziert. Der größte Staudamm ist der seit 1992 in Betrieb befindliche Atatürk-Staudamm, der Teil des Südostanatolien-Projekts ist. Dabei soll durch den Verbund aus 17 Wasserkraftwerken eine Energiemenge von bis zu 27 Mrd. kWh geliefert werden können. Ein weiterer beachtlicher Teil der in der Türkei erzeugten Energie wird mit der heimischen Steinkohle erzeugt.
Die Türkei plant den Bau von drei Kernkraftwerken. Das erste Atomkraftwerk in Akkuyu (Mittelmeerprovinz Mersin) mit einer geplanten Kapazität von 4.800 MW (4 × 1.200 MW) wird von der russischen Gesellschaft Rosatom errichtet und soll 20 Mrd. $ kosten. Dem Vernehmen nach verlaufen die vorbereitenden Arbeiten nach vorgegebenem Zeitplan. Referenzprojekt ist das russische Kernkraftwerk AES-2006. Die Anlage in Akkuyu soll nach Fertigstellung jährlich 35 Mrd. kWh Strom produzieren. Die Elektrizitätserzeugung im ersten Reaktor wird nach derzeitigem Zeitplan Mitte 2020 beginnen. Die gesamte Betriebsdauer wird mit 60 Jahren angegeben. Das zweite Atomkraftwerk vom Typ Atmea-I der dritten Generation soll in Sinop am Schwarzen Meer durch die französische Firma Areva und das japanische Unternehmen Mitsubishi Heavy Industries errichtet werden. Geplant ist eine Kapazität von 4.400 MW (4 × 1.100 MW). Mit den Bauarbeiten will das Konsortium 2017 beginnen. Für das dritte Kernkraftwerk wurde noch kein Standort festgelegt.
Außenhandel
Die Türkei hat mit 8 % des BIP (2013) eines der größten Leistungsbilanzdefizite der Welt. Einer positiven Dienstleistungsbilanz steht eine negative Handelsbilanz gegenüber. Außenwirtschaftlich sucht die Türkei eine engere Anbindung an die EU und zugleich eine stärkere Einflussnahme auf die Turkstaaten (u. a. Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Turkmenistan, Aserbaidschan). Seit 1996 existiert eine Zollunion mit der EU. Daher gilt für die Türkei das europäische Wirtschaftsrecht. Mit 58 % des Gesamtexportaufkommens sind die EU-Länder die wichtigsten Exportländer. 2007 war Deutschland mit 13 % der Importe und 14 % der Exporte größter Handelspartner der Türkei.
46 % der gesamten Importe stammen aus der EU, dies waren im ersten Halbjahr 2003 11 Milliarden US-Dollar. Auch zur Erschließung der Absatzmärkte in den früheren GUS Staaten, spielen die Niederlassungen der europäischen Konzerne eine bedeutende Rolle.
Deutschland ist mit über 13 % (11,9 Mrd $) der Importe und ca. 17 % (9,4 Mrd. $) der Exporte der größte Handelspartner der Türkei. Weitere wichtige Handelspartner sind die USA (Exporte 3,7 und Importe 3,4 Mrd. $), Großbritannien (Exporte 7,5 und Importe 3,5 Mrd. $), Italien (Exporte 5,9 und Importe 5,4 Mrd. $), Russland (Exporte 4,7 und Importe 5,4 Mrd. $) und Frankreich (Exporte 5,9 und Importe 4,2 Mrd. $).
Die Türkei nimmt als Absatzmarkt für die Europäische Union mittlerweile den sechsten Rang an. Gleichzeitig ist die Türkei zum siebtgrößten Exportland gewachsen. Das negative Handelsdefizit mit der EU konnte verglichen mit 2004 um 0,4 Mrd. € auf 4,7 Mrd. € gesenkt werden.
Ausländische Investitionen
Das neue Investitionsförderungsgesetz aus dem Jahr 2004 stellt in- und ausländische Investoren gleich und zeigt schon erste Erfolge. In den Jahren 2005 8 Mrd. $, 2006 16 Mrd. $, 2007 21 Mrd. $ wurden in der Türkei ausländische Direktinvestitionen getätigt. Demgegenüber lag die Summe der ausländischen Investitionen bis 2002 bei vergleichsweise geringen 5,5 Mrd. $, davon alleine 4 Milliarden aus Deutschland.
September 2007 waren 18.223 ausländische Kapitalgesellschaften (inkl. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung) in der Türkei aktiv davon 3.126 Unternehmen aus Deutschland. Alleine in den letzten 18 Monaten kamen mehr als 1000 neue deutsche Unternehmen ins Land.
So lassen die Unternehmen MAN und Daimler Busse in der Türkei bauen. Die BSH (Bosch-Siemens Hausgeräte) stellt am Rande von Istanbul Kühlschränke und Küchengeräte her. Das in İskenderun gebaute Steinkohlekraftwerk ist das größte deutsche Investitionsprojekt, bei dem die Unternehmen Steag und RWE ca. 1,5 Mrd. US-Dollar investiert haben.
Privatisierung
2004 wurden durch Privatisierung der Staatsunternehmen lediglich 1,2 Milliarden US-Dollar erzielt. 2005 kam die Privatisierung von Staatsunternehmen voran. Im gesamten Jahr 2005 wurden 16 Milliarden US-Dollar Privatisierungserlöse erzielt. Rechnet man die Gebühren für die 15-jährigen privaten Nutzungsrechte für den Flughafen „Flughafen Istanbul-Atatürk“ hinzu, erzielte der Staat Erlöse von 20 Milliarden Dollar.
Die höchsten Einnahmen erzielte der Staat durch den Verkauf von 55 % ihrer Anteile an der Türk Telekom. Ein Firmenkonsortium (Oger Telecom Ortak Girişim Grubu) bot für die Mehrheit 6,55 Mrd. US-Dollar. Das Konsortium ist ein Zusammenschluss eines libanesischen Familienunternehmens (Saudi Oger) und der Telecom Italia. Am 13. September 2005 erwarb die Koç-Gruppe zusammen mit Shell das Petrochemie-Unternehmen Tüpraş. Für 51 % der Aktien zahlte das Konsortium 4,14 Mrd. $.
Im Oktober erhielt OYAK für 2,77 Mrd. $ 46,12 % der Aktien von Erdemir. Erdemir gehört zu den 50 größten Stahlherstellern der Welt. Oyak ist die Beteiligungsgesellschaft des „Unterstützungsfonds für die Armee“ (Ordu Yardimlasma Kurumu). Für 755 Millionen $ ging der Hafen von Mersin an die PSA-Akfen-Gruppe aus Singapur.
Als Nächstes sollen staatliche Energie-, Zement- und die staatlichen Lotterie- Unternehmen privatisiert werden.
Absicherungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten
Gemäss dem Länderrating, welche durch die OECD veröffentlicht wird, sind Absicherungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten gegeben.